Graugans (Anser anser)
Graugans (Anser anser). Leben und Eigenschaften der Graugänse
Die ↑Graugans (Anser anser) gilt als Stammform unserer ↑Hausgans. In der Zoologie ist der Name "Gans" eine Sammelbezeichnung für große Entenvögel mit mittellangem Hals. Dazu zählen Echte Gänse, Schwäne und auch ↑Hühnergänse. Echte Gänse lassen sich einteilen in Feld- und Meergänse. Insgesamt sind 15 wilde Arten bekannt. Die Graugans (Anser anser) gehört zur großen Ordnung der ↑Gänsevögel (Anseriformes) und darin zur Familie der Entenvögel (Anatidae), Unterfamilie Schwäne und echte Gänse (Anserinae).
Die Graugans ist heller als andere grauen Gänse. Der Hals wirkt relativ dick und durch die streifige Anordnung der Federn leicht längsgestreift. Die Vorderflügel sind auffällig hell und der Bauch hat mehr oder minder stark ausgeprägte schwarze Flecken. Der Schnabel ist relativ groß und klobig. Sie erreicht eine Länge von 75 bis 90 cm, eine Flügelspannweite von 147 bis 180 cm und ein Gewicht von 2 bis 4 kg. Ganter sind dabei schwerer als Weibchen und wiegen in der Regel zwischen 3 und 4 Kilogramm. Die leichteren Weibchen dagegen kommen auf 2 bis 3,5 Kilogramm.
Die durchschnittliche Lebensdauer einer Graugans beträgt etwa 4 Jahre. In Gefangenschaft kann sie sogar bis zu 35 Jahre alt werden. Ihr Gefieder ist schwarzweiß, grau oder braun, wobei Männchen und Weibchen sich farblich nicht unterscheiden. Vor allem der Gesichts- und Gehörsinn der Graugänse ist hervorragend. Auch der Geruchssinn ist gut ausgebildet. Bereits aus der Geschichte des Alten Rom ist überliefert, dass das Kapitol von Gänsen bewacht wurde. Aber auch bei den Griechen galten die schönen, weißen Vögel als klug und wachsam.
Als Brutvogel galt die Graugans in West- und Süddeutschland in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts als fast ausgerottet, bis sie in mehreren Gebieten wieder erfolgreich eingebürgert werden konnte. Heute ist die Graugans in Mitteleuropa wieder gut verbreitet. Als einzige der grauen Feldgänse brütet die Graugans in Mittel- und Südeuropa, ist aber ein Zugvogel, der im Winter unsere Breiten verlässt und in den warmen Süden ausweicht. Die mitteleuropäischen Graugänse ziehen über Frankreich hinweg ins milde Spanien, während die nordischen Gänse, vor allem die isländischen, auf den Britischen Inseln und rund um die Nordsee überwintern.
Die Zugwege und Rastplätze der Graugans sind nicht genetisch festgelegt, sondern werden von den Eltern an ihre Jungen vererbt. Neben dem Zug in die Überwinterungsquartiere gibt es auch den so genannten Mauserzug der nicht-brütenden Tier. Begünstigt durch eine intensivierte Landwirtschaft, die auch im Winter genügend Nahrung bietet, sowie eventuell durch den Klimawandel, sind viele Graugänse mittlerweile zu Standvögeln geworden. Während der Herbst- und Frühjahrszüge fallen die Gänse regelmäßig auf gewässernahen Feldern ein, um zu fressen.
Denn im Gegensatz zu Enten nehmen Gänse hauptsächlich an Land Nahrung auf. Wichtig dabei ist, dass die Gebiete niedrig bewachsen sind, um so das Sicherheitsbedürfnis der Gänse zu erfüllen. Dafür sind große Weiden ideal. Mit den kräftigen Hornzähnen können sie Gras und junges Getreide abrupfen. Auch sind sie in der Lage, mit ihrem Schnabel unterirdische Pflanzenteile auszugraben. Gerade im Herbst suchen Graugänse bevorzugt Maisstoppelfelder auf, wegen der energiereiche Körnernahrung. Mitunter finden sie ihre Nahrung auch schwimmend, gründeln dabei aber nur sehr selten. Graugänse sind sowohl tag- als auch nachtaktiv. Wenn sie häufig gestört werden, verlagern sie ihre Nahrungssuche in die Nacht.
Während der Brutzeit suchen die Graugänse ruhige, vegetationsreiche Moore, Sümpfe und einsame Wiesen auf, die gute Deckung bieten. Binnenseen, Flüsse oder ruhige Küstenlandschaften müssen in erreichbarer Nähe liegen. Die Nester stehen fast durchweg an schwer zugänglichen Stellen im Schilf oder Röhricht. Da ihre Bauten sehr umfangreich sind, werden oft die Nester der vergangenen Jahre benutzt. Diese können einzeln, aber auch in lockeren Kolonien beisammen liegen. Während der Brut hält der männliche Vogel, der Ganter, Wache. In ausreichender Entfernung vom Nest, um dieses nicht zu verraten. Die typischen Fressfeinde sind vor allem Fuchs und Seeadler, aber Gänse sind sehr wehrhaft. Mit Zischen, Beißen und Flügelschlagen wird die Brut mutig verteidigt. Doch auch der Klimawandel, die Trockenlegung von Feuchtgebieten und die zunehmende Freizeitnutzung der Gewässer stellt für die Graugänse eine Bedrohung dar.
Haben die Graugänse ihr drittes Lebensjahr erreicht, erfolgt von April bis Mai die erste Brut. Ein Gelege besteht in der Regel aus etwa 5-8 Eiern und die Brutdauer beträgt ungefähr 30 Tage. Das Brutverhalten und das damit eng verknüpfte Sozialverhalten der Graugänse ist ein besonderes Phänomen und wurde durch den Verhaltensforscher und Nobelpreisträger Konrad Lorenz (1903 bis 1989) genauestens studiert. Mit seinen Forschungsergebnissen wurde Lorenz als "Gänsevater" weltberühmt.
Er entdeckte, dass brütende Graugänse ein aus dem Nest gefallenes Ei problemlos ins Nest zurückholen können, ohne dies vorher geübt zu haben. Mit lang gestrecktem Hals greift die Gänsemutter über das Ei hinweg, und rollt es mit der Unterseite ihres Schnabels wieder zurück ins Nest. Damit das Ei nicht seitlich entgleitet, führt sie pendelnde Balancierbewegungen durch. Nimmt man ihr das Ei weg, macht sie die Rollbewegung trotzdem weiter, ohne dass es dafür eines Reizes von außen bedarf. Dieses schematische Verhalten des Rollens ist angeboren, Lorenz nannte es Erbkoordination. Das Balancieren des Eies ist zwar ebenfalls angeboren, hört aber sofort auf, wenn man das Ei entfernt.
Lorenz entdeckte außerdem einen weiteren, grundlegenden Mechanismus: Die Prägung. Die frisch geschlüpften Küken, die sogenannten Gössel, bleiben 24 Stunden im Nest. Kurz nach dem Schlüpfen, in der sogenannten sensiblen Phase, werden die Gössel auf das geprägt, was sie zuerst sehen. In der Regel sind das die Eltern. Biologisch macht das Sinn, weil die Kleinen Nestflüchter sind und ihren Eltern uneingeschränkt überall hin folgen, um Schutz und Nahrung zu bekommen.
Durch die Prägung soll das Überleben von Nachkommen gesichert werden und ist bei Tier wie Mensch gleichermaßen vorhanden. Der Prägungsvorgang bei Gänsen ist allerdings so starr und unveränderlich, dass die Küken allem nachlaufen, was sie zuerst sehen. Das kann ein Mensch sein, aber ebenso eine beliebige Attrappe wie ein Fußball. Versuche mit Entenküken zeigten, dass fehlgeprägte Jungtiere andere Küken nicht mehr annehmen und sich nicht mehr als ihnen gleichartig betrachten. Spätere Sexualpartner sahen die Versuchsküken beispielsweise in Lorenz, statt in ihren Artgenossen. Unvergessen ist die Schar Junggänse, die ihm auf Schritt und Tritt folgte und im Teich hinterherschwamm, als sei es die natürlichste Sache der Welt. Selbst bei einem auf den Fußball geprägten Entlein zeigte sich diese Prägungsirritation. Es gibt auch noch spätere sensible Phasen und Prägungen, die eine Rolle beim Balzen oder beim Fliegen in einem Vogelschwarm spielen.
Nach 50 - 60 Tagen, um Mitte August, erlangen die Junggänse ihre Flugfähigkeit. Die Schwingenmauser der Elterntiere liegt dabei so, dass sie erst etwas später als die Jungtiere wieder flugfähig werden, was das langsame Erlernen schwieriger Flugmanöver der Jungtiere, erleichtert. Nach 4 1/2 Monaten sind die Jungvögel dann erwachsen. Die Familien bleiben aber auch nach dem Flüggewerden der Jungen beieinander. Erst gegen Ende ihres ersten Winters beginnen die jungen Gänsen ihre eigenen Wege zu gehen.
Gänse sind sehr gesellige Tiere und leben außerhalb der Brutzeit in Sozialverbänden. Für gewöhnlich zeigen sie eine große Partnertreue, die ein ganzes Leben lang hält. Die Partnersuche besteht in vorsichtiger, aber beharrlicher Annäherung mit viel gemeinsamem Geschnatter. Die Ehe gilt als geschlossen, wenn beide Partner im Chor schreien. Auch später lassen sie kaum eine Gelegenheit aus, um gemeinsam zu schreien. Ihr Duett wird auch als Triumphgeschrei bezeichnet. Es gibt eine ganze Reihe weiterer Kontaktrufe, durch die dem Partner die jeweilige Stimmung mitgeteilt wird. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass auch der Herzschlag der Gänse von den sozialen Interaktionen beeinflusst wird. Ist ein Familienmitglied an Interaktionen beteiligt, geht der Herzschlag kräftig in die Höhe: von 100 auf etwa 400 Schläge pro Minute. Wenn das Weibchen beispielsweise am Nest hockt und andere Gänse in der Umgebung landen, passiert gar nichts.
Kommt jedoch der Partner, steigt die Herzfrequenz auf 400 bis 500 Schläge pro Minute an. Die Beziehungen zwischen Graugänsen sind recht vielfältig. Es gibt Heteropaare, Dreiecksbeziehungen und sogar Homopaare. Ganterpaare sind gar nicht so selten, Weibchenpaare hingegen gibt es nicht. Das liegt wohl daran, dass die Ganter kräftiger sind und die Weibchen den Partner nach ihrem Schutzbedürfnis wählen. Ein Weibchen kann in eine solche gleichgeschlechtliche Partnerschaft einbezogen werden. Dabei begatten beide Männchen das Weibchen, ein Männchen bleibt jedoch stets dominant. Während der Aufzucht der Jungen bleibt das Trio zusammen. Danach trennt sich das Weibchen von der Gruppe, während das männliche Paar zusammen bleibt. In den Dreieicksbeziehungen gibt es ein Heteropaar, zu dem sich ein junges, unverpaartes Weibchen gesellt. Die beiden Weibchen tolerieren sich zwar, mögen sich aber nicht besonders. Auch unter Geschwistern gibt es eine Besonderheit: Schwestern bleiben in der Regel ein Leben lang nah beieinander. Brüder dagegen selten und Bruder und Schwester so gut wie nie.
Die Beobachtungen der ↑Konrad-Lorenz-Forschungsstelle belegen, dass Gänse die familiären Verflechtungen innerhalb der Kolonie sehr genau kennen. Sie wissen wer mit wem verbandelt ist und wer mit wem gut kann. In einer Kolonie von etwa 100 Gänsen kennen sich alle. In einem großen Schwarm von 1000 Tieren klappt das zwar nicht mehr, aber ihre nächsten Verwandten kennt die Gans ganz genau.
Dass Graugänse also etwas ganz Besonderes sind, kennen wir nicht zuletzt aus der wunderbaren Reise des kleinen Nils Holgersson, die 1906 das erste Mal erschienen ist und auch heute noch ungebrochen die Herzen von Jung und Alt erobert.
Sonnenwende - Wintersonnenwende
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- Graugans erreicht eine Länge von 75 bis 90 cm
- Graugans Flügelspannweite von 147 bis 180 cm
- Graugans Gewicht von 2 bis 4 kg
- Graugans Ganter sind dabei schwerer als Weibchen und wiegen in der Regel zwischen 3 und 4 Kilogramm
- Graugans Weibchen dagegen kommen auf 2 bis 3,5 Kilogramm
- Graugans beträgt etwa 4 Jahre
- Graugans Gefieder ist schwarzweiß, grau oder braun
- Graugans Gesichts- und Gehörsinn der Graugänse ist hervorragend
- Graugans in Mitteleuropa wieder gut verbreitet
- Graugans zieht über Frankreich hinweg ins milde Spanien
- Zugwege und Rastplätze der Graugans sind nicht genetisch festgelegt
- Graugans drittes Lebensjahr erreicht, erfolgt von April bis Mai die erste Brut
- Graugans 50 - 60 Tagen, um Mitte August, erlangen die Junggänse ihre Flugfähigkeit
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